Was gilt, wenn das Finanzamt in einem Steuerbescheid etwas vergisst, sich nachträglich jedoch wieder „erinnert“? Darf es den Steuerbescheid ändern? Ist die Änderung zum Vorteil des Steuerpflichtigen, hat dieser sicher nichts dagegen. Eine Änderung zum Nachteil ist jedoch verständlicherweise ärgerlich. Grundsätzlich kann das Finanzamt, wenn es von einer neuen Tatsache erfährt, auch bestandskräftige – also eigentlich nicht änderbare – Bescheide korrigieren. Ist aber eine vergessene als neue Tatsache in diesem Sinne zu werten?


Kürzlich musste das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) genau darüber entscheiden. Im zugrundeliegenden Fall wurde eine Rentnerin nachträglich für die Jahre 2007 bis 2010 mit einer erheblichen Steuer belastet, da das Finanzamt nach einer Kontrollmitteilung meinte, eine neue Tatsache über ihre Einkünfte erfahren zu haben. Doch die Rentnerin war der Auffassung, dass das Finanzamt über den Vorgang bereits informiert war und alle betroffenen Verträge bekommen hatte. Es konnte somit gar keine neue Tatsache vorliegen. Immerhin ging es um einen Dauersachverhalt aus dem Jahr 1994. Damals übertrug sie ihrem Sohn ein Vermietungsobjekt und erhielt seitdem eine lebenslang zu zahlende Rente von 90.000 EUR pro Jahr.


Das FG war glücklicherweise nicht derselben Auffassung wie das Finanzamt. Einerseits handelte es sich nämlich nicht um eine neue Tatsache, sondern nur um eine neue rechtliche Würdigung. Diese erlaubt es dem Finanzamt nicht, bestandskräftige Steuerbescheide zu ändern. Das Finanzamt räumte zudem ein, über den Verbleib der Unterlagen keine rechte Auskunft geben zu können. Sehr wahrscheinlich wurden sie durch das vor 2007 zuständige Finanzamt erst archiviert und anschließend vernichtet. Hier lag ein weiterer Fehler. Denn bei Dauersachverhalten darf das Finanzamt nicht einfach Unterlagen vernichten oder archivieren, da es bei einem Dauersachverhalt wesentlich ist, dass in jedem Jahr der Vorgang erneut steuerlich bewertet wird. Dazu müssen alle Unterlagen vorhanden sein.


Sollten dem Finanzamt diese Unterlagen nicht mehr vorliegen, muss es sie bei dem Steuerpflichtigen anfordern. Da das nicht geschehen ist, hat es seine Ermittlungspflicht vernachlässigt. Das wiederum ist nicht der Rentnerin anzulasten. Zumindest für die Vergangenheit musste also die mittlerweile Hochbetagte keine Steuern nachzahlen.


Hinweis: Sollten Ihnen geänderte Steuerbescheide unerwartet zugestellt werden, sollten Sie unbedingt eine Überprüfung durch uns vornehmen lassen.

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(aus: Ausgabe 11/2015)

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